"Brand Zug Tunnel"
…lautete die Alarmierung, vor der alle Beteiligten sehr großen Respekt haben. Am 07.06.2023 kurz vor 21:00 Uhr wurde das Realität: Bei der Leitstelle Tirol ging ein Notruf von der Betriebsführungszentrale ÖBB ein, dass ein Autoreisezug im Terfner Tunnel in Brand geraten ist. Laut vordefiniertem Sonderalarmplan Unterinntaltrasse wurden die sogenannten ÖBB-Züge Hall, Wattens, Schwaz und Jenbach alarmiert, in denen die umliegenden Feuerwehren für Einsätze dieser Art organisiert sind. Vorteil des Sonderalarmplans ist es, dass jeder Feuerwehr die Aufgaben und Örtlichkeiten bekannt sind, sodass schnell und effektiv geholfen werden kann. Um die ausrückenden Kräfte zu unterstützen, werden in diesem Zuge auch die Bezirkszentrale sowie der Bezirks-Führungsstab alarmiert.
Da allgemeine Fakten zum Ereignis, Informationen zu den betroffenen und verletzten Personen sowie den weiteren Ermittlungen ohnehin über die Medien laufend veröffentlicht werden, möchten wir an dieser Stelle einen Einblick geben, welche Herausforderungen auf die Feuerwehr bei so einem Einsatz zukommen. Speziell betrachten wir die Feuerwehren und den Einsatz im Bezirk Innsbruck-Land. Es sei aber darauf hingewiesen, dass ein ähnlich großer personeller und materieller Aufwand auch vom Bezirk Schwaz aufgefahren wird, da die Unterinntaltrasse in Fällen wie diesem immer von beiden Seiten bearbeitet wird, damit die erforderliche Personalstärke vorhanden ist.
Einsatztaktik
Bei einem Tunnelbrand wird zuerst der Brand gelöscht, um anschließend die Personen in gesicherter Umgebung retten zu können. Dies wurde auch in diesem Fall so gemacht und hat sich bewährt. Erschwert wurde die Personenrettung durch den Wechsel der Luftzugrichtung im Laufe des Einsatzes.
Bei jedem Notausgang gibt es einen Einsatzleiter. Im Fall des Notausgangs 52 war das OBI Christian Schwaninger, Kommandant der Feuerwehr Baumkirchen. Wir haben ihn gebeten, uns seine Eindrücke zum Einsatz zu schildern:
Was war deine Aufgabe? „In der Einsatzleitung beim NA52 hatten wir zum einen bis zum Eintreffen von Bezirksfeuerwehrinspektor OBR Michael Neuner die Gesamteinsatzleitung sowie die Platzorganisation über und andererseits gab es speziell auf diesen Notausgang bezogene Aufgaben, die abgearbeitet werden mussten. Damit die Rettungstrupps im Tunnel sicher arbeiten können und keine Gefahr von der Oberleitung ausgeht, müssen sogenannte Gegensperren angebracht werden, die den Einsatzkräften die Spannungsfreiheit gewährleisten. Dies wurde durch die Feuerwehren Baumkirchen und Fritzens sofort umgesetzt.“
Was hat dich am meisten gefordert? „Aufgrund eines technischen Problems konnte die Gegensperre beim Ostportal durch den ÖBB Zug Jenbach nicht angebracht werden. Gemeinsam mit dem ÖBB-Einsatzleiter vor Ort musste daher eine rasche und sichere Lösung gefunden werden, um eine Tunnelfreigabe seitens der ÖBB zu erwirken. Die Platzorganisation rund um den Notausgang war aufgrund der vielen Einsatzkräfte eine weitere Herausforderung. Da wir jedoch 2022 eine ähnliche Übung in diesem Bereich hatten, konnten wir auf dieses Wissen zurückgreifen und auch diese Aufgabe umsetzen. Dafür möchte ich mich bei Abschnittskommandant ABI Christian Faik bedanken, der diese und auch alle vorherigen Übungen mit viel Engagement organisierte.“Bei jedem Notausgang wird neben einer Atemschutzsammelstelle und der Infrastruktur des Rettungsdienstes auch eine eigenständige Lageführung aufgebaut. Den Leiter der „Lage NA51“ OBI Gerhard Stauder (Landessachgebietsleiter Bezirkszentralen und Betriebsleiter der Leitstelle Tirol) haben wir ebenfalls befragt:
Was hat dich am meisten gefordert? „Wir waren zu zweit bei der Lageführung. Der enorme workload am Anfang hat uns alles abverlangt. Die aktive Überwachung der Trupps, wie man sie sonst bei Brandeinsätzen macht, war nicht mehr in vollem Umfang möglich. Wir haben aber sofort mit drei Rettungstrupps reagiert als bekannt wurde, dass ein Trupp abgängig ist. Glücklicherweise hat sich das alles im Guten aufgelöst und es gab keinen Atemschutz-Notfall.“
Was hast du dir für die Zukunft mitgenommen? „Wir müssen Szenarien wie diese regelmäßig üben. Sowohl vor Ort als auch in Spezialausbildungen im In- und Ausland. Unser Trupp aus Volders hat bei der Brandbekämpfung sehr professionell gearbeitet, dies ist auch auf die gute Tunnelausbildung der drei Kameraden zurückzuführen.
Wie war der Einsatz aus Sicht der Leitstelle Tirol? „Die Kolleginnen und Kollegen haben wie immer professionell und sehr schnell reagiert. Mittels Nachalarmierung konnte das Leitstellenpersonal in kürzester Zeit von sechs auf 35 Personen aufgestockt werden. Führungskräfte der Leitstelle wurden als Verbindungspersonen zur Einsatzleitung vor Ort und in den Bezirksführungsstab geschickt. Eine Calltakerin blieb 52 Minuten mit dem Lokführer bis zu seiner Rettung in Kontakt und gab Anweisungen, wie sich das Zugpersonal und die Passagiere verhalten sollen. Das `Schließen der Fenster` und `nasse Leintücher vor das Gesicht halten` waren Maßnahmen, die via Telefon weitergegeben wurden. Ich bedanke mich bei meinen Mitarbeiter*innen für ihre tolle Arbeit, besonders auch bei seltenen und sehr herausfordernden Ereignissen wie diesem.“
Die herausforderndste Aufgabe hatten die Männer und Frauen im Tunnel. Unter schwierigsten Bedingungen (Rauch, Dampf, Hitze, kaum Sicht) musste die Brandbekämpfung und anschließend die Rettung von 151 Personen durchgeführt werden.
Lukas Tratter ist Atemschutzträger bei der Feuerwehr Fritzens und schildert seine Eindrücke:
Was war deine Aufgabe? „Ich war mit meinen beiden Kameraden als Atemschutztrupp für die letzte Suche nach Personen im Zug verantwortlich, damit man sicher gehen konnte, dass sich wirklich niemand mehr darin befindet.“
Was hat dich am meisten gefordert? „Das ungewohnte Terrain im Tunnel, ohne wirklichen Bezug zum nächsten Notausgang mit viel Rauch. Als Atemschutzträger beübt man solche Situationen regelmäßig, trotzdem war das auch für uns sehr speziell. Rückblickend kann ich sagen, dass alle Beteiligten großes Glück im Unglück hatten.“
Was hast du dir für die Zukunft mitgenommen? „Erstens: Der Einsatz war für alle Atemschutzträger sowohl physisch als auch psychisch sehr fordernd, da muss man sich wirklich fit fühlen. Zweitens: Die Anweisungen von unseren Führungskräften waren klar und präzise, die Organisation der Einsatzkräfte funktionierte sehr gut. Das gab uns die nötige Sicherheit, in diesen schwierigen Einsatz zu gehen.“
Um die vor Ort befindlichen Einsatzkräfte zu unterstützen und gleichzeitig die Leitstelle Tirol zu entlasten, werden die Bezirkszentrale (BZ) und der Bezirks-Führungsstab (BFÜST) alarmiert. Das Personal der BZ steht allen Beteiligten am Funk zur Verfügung und mit der Leitstelle in engem Kontakt, z.B. für Nachalarmierungen und laufenden Informationsaustausch.
Der Bezirks-Führungsstab hat die Aufgabe der langfristigen Planung, u.a. betreffend Personal, Ressourcen, Lageentwicklung oder Medienbetreuung. Zusätzlich zum Personal der Feuerwehr (kommt aus dem gesamten Bezirk zusammen) treffen sich dort auch Verbindungspersonen der anderen Einsatzorganisationen/Behörden und stellen damit einen kompletten Führungsstab für den Einsatz.
Was war deine Aufgabe? „Ich habe als Einsatzleiter BFÜST den Führungsstab geleitet und war in ständigem Austausch mit den vor Ort befindlichen Verbindungspersonen. Dadurch war eine schnelle Absprache und Entscheidungsfindung mit Polizei, Rettungsdienst, Leitstelle Tirol und der Bezirkshauptmannschaft als zuständige Behörde möglich.“
Was hat dich am meisten gefordert? „Von der Organisation der Gebietsabdeckung über die Bereitstellung von elf Feuerwehrfahrzeugen für den Passagiertransport bis hin zu Überlegungen zur anschließenden Unterbringung gemeinsam mit Bezirkshauptmann-Stellvertreter Dr. Kurt Berek gab es viel zu tun. Der Kontakt zur ÖBB gestaltete sich schwierig, da gibt es Verbesserungspotential.“
Was hast du dir für die Zukunft mitgenommen? „Dass die Alarmpläne wie vorgesehen gegriffen haben und der Informationsfluss innerhalb der Feuerwehr gut funktionierte. Durchaus gibt es Anpassungsbedarf, auch im BFÜST. Das werden wir in den nächsten Wochen besprechen und umsetzen.“
„Die regelmäßigen Übungen der letzten Jahre im Tunnelbereich haben sich beim Einsatz bewährt. Die Aufgaben sind sehr vielseitig und herausfordernd. Der gute Ausbildungsstand der Mannschaft hat wesentlich zum schnellen und erfolgreichen Einsatz beigetragen. Aufgrund der ausgearbeiteten Alarmpläne und Checklisten wussten die Beteiligten, wer was zu tun hat. Selbstverständlich gibt es bei Einsätzen in dieser Dimension aber auch Verbesserungspotential. Dieses werden wir erheben, nachbesprechen und in die Unterlagen einarbeiten. Wir hoffen nicht, dass so etwas wieder passiert, aber da spricht die Statistik leider gegen uns. Egal was kommt, wir werden gemeinsam das Problem angehen und unser Bestes geben.“
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- Berufsfeuerwehr Innsbruck
Bericht: LM Thomas Tanzer (ÖA BFV IBK-Land)
Bilder: BI Anton Wegscheider (ÖA BFV IBK-Land), PFM Christoph Waldner (FF Baumkirchen), BI Alexander Nairz (FF Aldrans)